Die Qual der Wahl






Der abgeschabte Holzschreibtisch, hinter dem eine junge Kaugummi kauende Frau saß und ihre Fingernägel auf einer Tastatur klappern ließ, wirkte komplett aus der Zeit gefallen, so wie eigentlich auch der ganze Rest des Büros. Ich vermeinte fast, den abgestandenen Muff eines 50er-Jahre-Postamts zu atmen. In krassem Gegensatz dazu standen allerdings zwei große gekrümmte Flachbildmonitore auf dem Schreibtisch, in deren Schatten die junge Frau fast gänzlich verschwand.

„Nehmen Sie doch schon mal Platz, Herr Schmiedel“ sagte sie, ohne ihr Geklapper auf der Tastatur auch nur eine Sekunde zu unterbrechen. „Wir sind gleich für sie da“.

Ich platzierte meinen Hintern also auf einem uralten Holzstuhl vor dem Schreibtisch, der wahrscheinlich schon Fürst von Thurn und Taxis als Sitzgelegenheit gedient hatte und schaute mich um. Alles hier war alt, bzw. auf alt getrimmt, aber genau das war wohl das Erfolgsrezept von …

„Donna und Partner, was können wir für sie tun?“ fragte die junge Frau urplötzlich. „Ich bin Donna und meinen Partner werden sie gleich kennenlernen“. Sie lachte und strahlte mich regelrecht an: „Das war jetzt nur, um das Eis zu brechen. Natürlich wissen wir genau, weshalb sie hier sind und was wir für sie tun können. Wollen wir gleich beginnen?“

„Äh, ok. Klar, bloß keine Zeit verlieren oder so“.

„Gut!“ Sie fing wieder an, auf der Tastatur herumzuklappern. „Ihre Unterlagen haben wir bereits bekommen und analysiert, sie haben die Verschwiegenheitserklärung unterzeichnet und, was das Allerwichtigste ist: ihre erste Teilrate in Höhe von 2.100 Euro ist bei uns eingegangen. Wir können also loslegen. Sie lernen jetzt meinen Partner kennen, der ihnen einige Fragen stellen wird. Und los!“ Sie tippte mit ihrem Fingernagel theatralisch auf die Enter-Taste ihrer Tastatur.

Vogelgezwitscher erfüllte plötzlich den Raum. Es schien von überall herzukommen, ohne dass ich die Quelle der Beschallung erkennen konnte. Nach etwa fünf Sekunden vernahm ich eine dunkle volltönende Stimme, die mich anredete: „Hallo Herr Schmiedel, ich bin der Partner von Donna, die sie soeben kennengelernt haben. Bitte beantworten sie jetzt meine Fragen, die ich ihnen stellen werde ganz frei und spontan“.

Ich räusperte mich und brachte ein zustimmendes ‚Hmmh‘ heraus.

„Dann los. Wie geht es Ihnen gerade?“
„Gut!“
Wie viel sind 10 mal 10?“
„Äh, 100!“
„Welche Farbe hat ein Feuerwehrauto?“
„Rot!“
Seit wann leiden sie an Hämorrhoiden?“
„Was?“
„Wie heißt die Hauptstadt von Schweden?“
„Stockholm, aber“ …
„Wie lautet der Name ihrer Frau?“
„Meine Frau? Ich“ …
„Wieviele Ecken hat ein Quadrat?“
„Stop! Stop! Stop!“

Nach kurzer Pause ertönte die sonore Stimme erneut: „Die Befragung wird auf ihren Wunsch hin abgebrochen. Donna wird ihnen jetzt die weitere Vorgehensweise erläutern“.

Das Vogelgezwitscher erstarb. Ich sah mich nochmals im Raum um, konnte aber immer noch keine Schallquelle erkennen. Hinter dem Schreibtisch hatte Donna das Kaugummikauen und Fingernagelgeklapper wieder aufgenommen.

„Hören sie, was sollte das eben denn? wandte ich mich an sie.
„Das war die vereinbarte Befragung durch die KI“ lautete ihe Antwort.
„KI?“
„Künstliche Intelligenz! Deswegen sind sie doch hier. Sie sind auf der Suche nach einer Partnerin und wir helfen ihnen mit Unterstützung der KI eine zu finden.
„Ich, äh, dachte, sie machen das mit Hilfe eines Computers? Ich habe anscheinend ihre Unterlagen irgendwie nicht richtig verstanden.“

Donna schien es kurzfristig die Sprache verschlagen zu haben. Langsam und vorsichtig bewegten sich ihre Finger jetzt über die Tastatur, während sie konzentriert auf den linken Monitor schaute. Sie runzelte die Stirn, atmete tief ein und aus, doch dann entspannten sich ihre Züge und sie schaute mich wieder mit ihrem strahlenden Lächeln an:

„Wir haben sieben Matches“ sagte sie. „Herzlichen Glückwunsch!“
„Ok? Und was bedeutet das?“
„Sieben potentielle Partnervorschläge. Sie haben jetzt nur noch die Qual der Wahl“.
„Gleich sieben?“
„Es liegt jetzt nur noch an Ihnen, wie es weitergeht. Sobald wir Ihre Schlussrate erhalten haben, können sie wählen, wie viele dieser Vorschläge sie tatsächlich erhalten möchten“.
„Aha!“
„Und sie können wählen, ob sie pro Vorschlag zahlen möchten, oder einen günstigen Komplettpreis für alle sieben Vorschläge“.

Mir war leicht schwindlig, als ich mich vom Stuhl erhob und zur Tür ging. Ich verabschiedete mich und murmelte irgendetwas in der Art, dass ich es mir überlegen würde.

„Selbstverständlich, Herr Schmiedel“, strahlte Donna mir hinterher. „Überlegen sie in Ruhe. Die Möglichkeiten, die die KI bietet, können überwältigend sein, nicht wahr? Ciaoiii!“

@Alexander Bär Voll aus dem digitalen Leben gegriffen. Und die Fragen hat die KI gar nicht so dumm gewählt - so mit Überrumpelungselementen. Aber ich traue diesem Geschäftsmodell nicht: erst Grundgebühr, dann auf schlichtes Vertrauen hin noch einmal für die Matches zahlen? Schmiedel, Schmiedel, bleibt vorsichtig!

Hallo @Alexander Bär ,

KI als Partner -wenn auch nur geschäftlich- gute Idee. Kopfkino lief mit.

Mich würde ja schon interessieren, wie er sich entscheidet.

Ist das bei Partner-Börsen so, dass man bereits im Voraus was zahlen muss?


LG
Doro

Moin @Doro

was die KI als Partner angeht: ich wäre nicht wirklich überrascht, wenn sich Elon Musk bei seiner Strategie zu Twitter und Tesla von einer KI beraten ließe ;)

Zu den Bezahlmodellen von Partnerbörsen kann ich nicht wirklich was sagen, hundertprozentig seriös ist aber was anderes, was ich so von den Diskussionen über Elite-Partner und Co. so aufgeschnappt habe. Zudem enthält meine Geschichte sowieso eine kleine Prise humoristischer Überhöhung ...

Zitat von Alexander Bär im Beitrag #5

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Zudem enthält meine Geschichte sowieso eine kleine Prise humoristischer Überhöhung ...

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Oh weia, jetzt macht mir die KI aber noch mehr Angst. Und ich wäre jetzt echt gespannt auf die Partnervorschlägen, aufgrund der Fragen und Antworten :-) Da würde man meinen, es kommen mehr als sieben Matches heraus.

Der arme Mann, der so verzweifelt sein muss.