#1

SGZ 29: Einmal zuviel oder 1 : 0 für Skat

in Die Geschichten der Woche 27.07.2024 14:03
von Perlfee • Federlibelle | 154 Beiträge | 588 Punkte

Hallo zusammen




Einmal zuviel oder 1 : 0 für Skat

„Noch ein Bier? Kommt, eins geht noch!“
„Für mich auf jeden Fall! Noch ´nen Korn dazu, Paule!“
„Bin auch dabei! Ohne Körnchen.“
War ja klar, dass Olaf und Bernd noch bleiben können.
Etwas neidisch verabschiedet sich Eduard von seinen Skatfreunden, mit denen er sich freitags auf ein paar Runden trifft.
„Ich muß los, war wieder toll! Bis nächste Woche!“
„Jau, nächste Woche, gleiche Stelle, gleiche Welle!“
Und immer der gleiche Witz von Olaf. Aber nett gemeint, darauf kommt es an.
Mit den Gedanken macht Eduard sich auf den Heimweg.

Im Kopf hörte er schon das Genörgel von Ilse. Seit 26 Jahren waren sie verheiratet, und gefühlt genauso lange meckerte sie an ihm herum. Als seine Schwägerin ihn letztes Jahr bei der Silberhochzeit – eine absolute Farce in seinen Augen – gefragt hatte, ob er Ilse nicht symbolisch noch einmal heiraten wolle, hätte er am Liebsten geantwortet, wenn er nochmal die Wahl hätte, würde er sie weder symbolisch, noch sonstwie nochmal heiraten.
Gerade die Skatabende waren Ilse ein Dorn im Auge. Eduard hatte von Anfang an klargemacht, die würde er nicht aufgeben, gäbe es seit seiner Studienzeit. Wahrscheinlich hatte Ilse geglaubt, ihm das schon im Laufe der Zeit mit ihrer unvergleichlichen Art – sie konnte in allen Variationen ihren Unmut zum Ausdruck bringen – schon madig zu machen. Aber da hatte sie sich getäuscht!

Eduard war an ihrem kleinen Reihenhaus angekommen, schloß die Tür auf. Schon durch die halbgeöffnete Haustür hörte er sie.
„Ach, kommst du auch schon? Ist ja fein, dass der Herr auch nach Hause zu kommen beliebt!“
„n Abend Ilse. Ist erst halb zwölf, ich weiß nicht, was du hast“
„Was ICH habe? Wir wollten „Der eingebildete Kranke“ zusammen sehen, DAS fing um 21 Uhr an. Wenn du schon nicht mit mir ins Theater gehst, können wir wenigstens HIN UND WIEDER ein Stück im Fernsehen sehen!“
Du wolltest es sehen, ich nicht!
Das verkniff sich Eduard natürlich, stattdessen ging er in den Keller.
„Geh doch schonmal ins Bett, ich will noch kurz was nachsehen, ob ich was richtig eingestellt habe an der Heizung.“
Statt im Heizungskeller, verschwand Eduard in seinem Hobbyraum. Der war immer abgeschlossen, da konnte Ilse auch weder sein Knüppelkissen, noch die Dartscheibe mit ihrem Foto sehen. Nachdem er das Kissen ordentlich verdroschen hatte, machte er sich auf den Weg nach oben. Der letzte Akt des Tages – Nörgeleien zwischen mehr oder weniger frischer Bettwäsche – konnte beginnen.

Die Woche verging wie alle Wochen: Eduard hatte in der Firma gut zu tun, einige Kundenbesuche zu erledigen und Monteure zu beaufsichtigen. Ein kleines Highlight – zumindest für ihn – war am Donnerstag die Lieferung der Siegestrophäe vom Sportangeln. Bei der Übergabe war festgestellt worden, dass sie an einer Ecke beschädigt war. Das durfte natürlich nicht sein, eine intakte sollte dann an Eduard geschickt werden.
„Dafür hast du Zeit! Angeln! Rumsitzen mit den blöden Typen, die du deine Freunde nennst! Zeit totschlagen, das kannste!“
Mit diesen Tiraden im Hintergrund suchte Eduard einen schönen Platz für die Statue auf dem Highboard.
„In der Gemeinde beteiligen wollten wir uns! Am Samstag ist Kirchenbasar, da haben wir einen Stand, ich hoffe, du hast das nicht vergessen!“
Nein, habe ich nicht, ich seh´ uns schon fröhlich grinsend hinter dem Verkaufstisch mit dem Plunder, den du zusammengesucht hast, und den wir dann anbieten wie sauer Bier …
„Bestimmt hast du das vergessen! GENAUSO wie du VERGESSEN hast, dass wir heute GEMEINSAM zum Kirchenkreis gehen wollen. Dein Essen kannst du dir übrigens selbst machen, deine Hemden für die nächste Woche werde ich auch nicht bügeln. Sieh doch zu! Bevor du nicht mit mir dahingehst und den Stand ordentlich machst, mache ich GAR NICHTS MEHR!“

Eduard blickte zu Ilse, wie sie da feixend mit verschränkten Armen an der Wohnzimmertür stand. Hämisch grinsend, genau wissend, wie sehr er Aktivitäten dieser Art verabscheute.
„Und diese Verlängerung der Hypothek kannst du dir auch abschminken, das unterschreibe ich nicht! Entweder Skat, oder Hypothek, kannst du dir überlegen!“

Oh, haben wir da eine neue Variation des Meckerns und Nörgelns, kommt da jetzt als Sahnehäubchen Erpressung dazu?
Eduard musterte Ilse. Das erfordert dann wohl auch eine andere Variation des Knüppelkissens.
Wie von selbst landete die Siegestrophäe auf Ilses Kopf. Zweimal, der Sieg sollte endgültig sein.


Viele Grüße


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#2

RE: SGZ 29: Einmal zuviel oder 1 : 0 für Skat

in Die Geschichten der Woche 27.07.2024 14:44
von Sturmruhe • Federlibelle | 1.222 Beiträge | 5477 Punkte

Hallo @Perlfee,

deine Geschichte habe ich mit Vergnügen gelesen. Was für ein armer Kerl, und das Schlimme ist, solche fürchterlichen Mecker-Fregatten gibt es tatsächlich, und meistens sind sie mit so netten, harmlosen Wichten wie Eduard verheiratet, die, wenn sie sich dann endlich doch mal wehren, dafür in den Knast müssen.

Übrigens hast du mit deiner Geschichte im Präsens begonnen und sie später dann im Präterium weitergeführt. Ich nehme an, das war nicht so geplant, oder?

Zitat
„Was ICH habe? Wir wollten „Der eingebildete Kranke“ zusammen sehen, DAS fing um 21 Uhr an. Wenn du schon nicht mit mir ins Theater gehst, können wir wenigstens HIN UND WIEDER ein Stück im Fernsehen sehen!“


Bei Ilses Genörgel hast du immer wieder die Großschreibung genutzt, vermutlich um die Betonung klarzumachen. Mich stört das ein bisschen beim Lesen und ich finde sowieso, man kann sich selber denken, wo sie betont und laut wird. Das aber nur am Rande, ich hätte der Alten wahrscheinlich schon viel eher eins übergezogen.

Gern gelesen!

Liebe Grüße
Marion


„Wir sind das, was wir wiederholt tun. Vorzüglichkeit ist daher keine Handlung, sondern eine Gewohnheit.“
Aristoteles

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#3

RE: SGZ 29: Einmal zuviel oder 1 : 0 für Skat

in Die Geschichten der Woche 27.07.2024 19:51
von Perlfee • Federlibelle | 154 Beiträge | 588 Punkte

Hallo Sturmhöhe
Vielen Dank für dein Feedback. Ich freue mich, daß dir meine Geschichte gefallen hat.

Zitat von Sturmruhe im Beitrag #2
Übrigens hast du mit deiner Geschichte im Präsens begonnen und sie später dann im Präterium weitergeführt. Ich nehme an, das war nicht so geplant, oder?

Ich bin irgendwie eine Zeitenwandlerin, das sollte nicht sein, passiert mir zwischendurch

Zitat von Sturmruhe im Beitrag #2
Bei Ilses Genörgel hast du immer wieder die Großschreibung genutzt, vermutlich um die Betonung klarzumachen. Mich stört das ein bisschen beim Lesen
Wahrscheinlich ist das Geschmackssache. Ich persönlich empfinde es auch beim Lesen nicht als störend. Verwende ich schon gerne, wenn ich denke, daß es paßt. Hier wollte ich die Tonlage und das Gemecker nochmal besonders betonen.


Zitat von Sturmruhe im Beitrag #2
Das aber nur am Rande, ich hätte der Alten wahrscheinlich schon viel eher eins übergezogen.
Ja, ich wohl auch ...


Viele Grüße


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#4

RE: SGZ 29: Einmal zuviel oder 1 : 0 für Skat

in Die Geschichten der Woche 27.07.2024 20:57
von Sturmruhe • Federlibelle | 1.222 Beiträge | 5477 Punkte

@Perlfee


Zitat
Wahrscheinlich ist das Geschmackssache. Ich persönlich empfinde es auch beim Lesen nicht als störend. Verwende ich schon gerne, wenn ich denke, daß es paßt. Hier wollte ich die Tonlage und das Gemecker nochmal besonders betonen.



Ja, das ist mir schon klar. Allerdings nimmst du damit dem Leser die Möglichkeit, sich die Sprachmelodie kreativ selber vorzustellen. Beispielsweise sprechen und betonen Süddeutsche anders als Norddeutsche und je nach Mundart und Typ würden sie ihren Ärger möglicherweise an anderen Stellen im Satz betonen. Je nach Herkunft und Dialekt zwingst du damit eventuell dem Leser eine Tonlage auf, die für ihn nicht stimmig ist. Ich habe das anfangs auch gerne gemacht, wurde aber von meinen Trainern irgendwann eines Besseren belehrt. Aber natürlich steht es dir frei, das anders zu handhaben.

Liebe Grüße
Marion


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#5

RE: SGZ 29: Einmal zuviel oder 1 : 0 für Skat

in Die Geschichten der Woche 27.07.2024 22:25
von Doro • Federlibelle | 2.416 Beiträge | 9470 Punkte

Liebe @Perlfee ,

Mord ist natürlich nicht rechtens, aber verstehen kann ich ihn schon. Warum hat er sie nicht schon längst verlassen? Die beiden scheinen ja überhaupt nichts gemeinsam zu haben.

Der Schluss kam überraschend, damit hatte ich nicht gerechnet.

Sehr gern gelesen.


LG
Doro


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#6

RE: SGZ 29: Einmal zuviel oder 1 : 0 für Skat

in Die Geschichten der Woche 28.07.2024 12:47
von Bree • Federlibelle | 4.476 Beiträge | 18164 Punkte

Liebe @Perlfee

solche Geschichten mag ich! Man leidet mit dem armen Eduard mit, und kann ihn - obwohl er schließlich zum Mörder wird - irgendwie verstehen. Der Schluss war so richtig schön böse mit der Betonung darauf, dass er lieber zweimal zuschlug. Sicher ist sicher.
Sehr schön gemacht!

Was die Großschreibung zwecks Betonung angeht, gebe ich @Sturmruhe recht. Es stört beim Lesen. Ich habe stattdessen gern die Kursiv-Funktion genutzt, bemühe mich aber auch, das zu lassen oder zumindest zu reduzieren.
Das mit dem Zeitenwechsel ist mir gar nicht aufgefallen. In die Falle tappe ich auch hin und wieder. Meist fällt es mir irgendwann auf und ich passe die Zeiten dann an. Ich glaube, wir sind so auf Präteritum getrimmt, dass wir automatisch in diese Zeit rutschen, auch, wenn wir es eigentlich gar nicht wollen.

Wie auch immer, die Story gefällt mir sehr! Gern mehr davon!

LG
Bree


Der Kriminalschriftsteller ist eine Spinne, die die Fliege bereits hat, bevor sie das Netz um sie herum webt.
(Sir Arthur Conan Doyle)

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